Wie kann eine Gemeinde und Ihre Bürger:innen von der Energiewende profitieren?

Der Bürgermeister der Gemeinde Fuchstal informierte Interessierte über sein Erfolgsrezept.

Von zuvor 2 Millionen Euro Schulden weiß heute die Kommune kaum noch wohin mit Ihrem Geld obwohl sie kaum über Gewerbesteuereinnahmen verfügt. Auch die Bürgerinnen und Bürger profitieren davon.

Die große Abhängigkeit von Gas und Öl aus Russland zeigt im Zuge des aktuellen Ukraine-Kriegs deutlich auf, dass Deutschland wohl entschieden mehr auf nachwachsende Rohstoffe, erneuerbare Energien usw. setzen muss. Doch welche Möglichkeiten haben Gemeinden, die Energiewende aktiv zu gestalten? Und wie können auch die Bürger:innen davon profitieren? Der Gewinner des Nachhaltigkeitspreises 2021 und Bürgermeister der kleinen Gemeinde Fuchstal (im oberbayerischen Landkreis Landsberg am Lech gelegen), Erwin Karg, zeigte bei einem Vortrag auf, wie es gehen kann. Die ca. 4200 Einwohner zählende Kommune ist schon jetzt rechnerisch komplett energieautark.

Bei Amtsantritt fast zwei Millionen Euro Schulden

Über zwei Stunden referierte der Rathauschef für die zahlreich erschienenen Bürgermeister:innen und Interessierte, wie er seine Kommune und Bürger:innen zu Wohlstand geführt hat, obwohl die Gemeinde über fast keine Gewerbesteuern verfügt und bei seinem Amtsantritt mit zwei Millionen Euro verschuldet war. Er schreibt diesen Erfolg jedoch nicht nur sich, sondern auch seinem Kämmerer und dem aktiven tollen Gemeinderat zu. In den vergangen Jahren habe die Gemeinde 31 Millionen Euro an Fördergeldern erhalten. Und trotz der mittlerweile sehr hohen Einkünfte bekomme die Kommune sehr beachtliche Schlüsselzuweisungen. Von den Einkünften aus Vermietung und Stromerzeugung müsse Fuchstal nichts an andere abgegeben – etwa eine Gewerbesteuerumlage/Kreisumlage.

Und wie können nun die Bürger und der Ort davon profitieren?

Nach Angaben des Bürgermeisters werden sämtliche Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen von der Gemeinde und/oder einer Genossenschaft (Bürgerwindkraft Fuchstal GmbH & Co. KG) gebaut, an der nur die Kommune mit 49% und die Bürger:innen mit 51% beteiligt sind: „Und fast alle finden nun Windräder und die erneuerbaren Energien schön, denn alle profitieren davon.“ Preissteigerungen von aktuell über 100% (bei Heizöl und Gas) blieben den Bürger:innen der Gemeinde, die bereits an das Nahwärmenetz angeschlossen sind, erspart. Hinzu kämen Mieteinkünfte von 29 Wohnungen in Höhe von einer halben Million Euro pro Jahr, die alle auf dem energetisch neuesten Stand seien. Stromseitig übertrifft die Stromproduktion der eigenen Anlagen den Verbrauch der Gemeinde deutlich und führt mit der erwirtschafteten Wertschöpfung dem Gemeindehaushalt etwa fünf Millionen Euro jährlich zu, Tendenz steigend, da 2022/2023 drei weitere Windkraftanlagen hinzugebaut werden (zum Vergleich: Gewerbesteuereinnahme Allershausen 2021 lag bei etwa 4 Millionen Euro). Das Geld der Gemeinde und der Bürger:innen fließt nicht ab, an irgendwelche Großkonzerne und deren Aktionäre, sondern die komplette Wertschöpfung bleibt in der Region! Die verfügbaren Mittel werden für energetische Sanierungen aller kommunaler Liegenschaften verwendet, für den Bau von Sozialwohnungen und bezahlbaren Wohnraum, für ein Seniorenheim (90 Plätze) mit 17 Mitarbeiterwohnungen und einer -für den Bürger- vorzüglichen Infrastruktur.

Alles begann mit Photovoltaikanlagen auf kommunalen Gebäuden

Angefangen hatte alles damit, dass die Gemeinde im Jahr 2005 sämtliche kommunale Gebäude mit PV-Anlagen (rund 300 kWp) ausgestattet hat. 2009 baute Fuchstal ein erstes Nahwärmenetz für die Mittelschule zu einer 1,7 Kilometer entfernten Biogasanlage (Landwirte betreiben eine Biogasanlage und eine Hackschnitzelheizung. Sie verkaufen Wärme an die Gemeinde, diese übernimmt die Verteilung. Ein starkes Modell auch für Post-EEG-Anlagen). Inzwischen sind zwei weitere Turnhallen, eine Kita mit sieben Gruppen, die Raiffeisenbank, das Sportheim und 150 Grundstücke daran angeschlossen. 2011 folgte der Bau einer Freiflächen-Photovoltaikanlage mit 450 kWp auf einer ehemaligen Deponie. Für die Spitzenlast wurde 2013 eine Gas-Therme (150 kW) als zweites Standbein für das Wärmenetz installiert.

2016 gingen vier Windkraftanlagen mit einer Nabenhöhe von 149 Meter (Stromerzeugung: 24 Millionen kW) in Betrieb: An den Bürgeranlagen sind momentan 115 Gesellschafter beteiligt. In den ersten fünf Jahren wurden bereits 44 Prozent ihrer Einlage als Gewinnbeteiligung ausgezahlt, die Rendite der letzten Jahre lag bei 19%. Auch gab es vor geraumer Zeit einen Förderbescheid in Höhe von 75 Prozent der Kosten für den Bau eines 4,5 Megawatt-Batterie-Speichers und eines Wärmepuffers/Wärmespeichers (5000 Kubikmeter Fassungsvermögen) zur Unterstützung des Wärmenetzes und eine Power-to-Heat-Anlage, mit der überschüssiger Strom aus den Erneuerbare-Energie-Anlagen genutzt werden soll. Diese Bauvorhaben werden aktuell durchgeführt und sollten dieses Jahr abgeschlossen werden. Im Jahr 2022 werden drei weitere Windkraftanlagen gebaut, diese sind die ersten Anlagen, die seit Jahren in Bayern -trotz der 10H Regel- gebaut werden! Geht das denn? Ja, eine Kommune kann über die Bauleitplanung auch Windparks innerhalb der 10H-Grenzen ermöglichen. Hier ein Statement/eine Pressemitteilung des Bayerischen Wirtschaftsministeriums: „Genehmigung von drei Windenergieanlagen in Fuchstal ist das Signal zum Aufbruch“

Zudem wurden nach der Installation einer Hackschnitzelanlage eine zweite Fernwärmeleitung sowie eine weitere Freiflächenanlage in Betrieb genommen.


Lieber Herr Bürgermeister Vaas, liebe Ratsmitglieder aller Parteien. Ich würde Ihnen bei so einem erfolgreichen Konzept einfach mal ‚Copy and Paste‘ vorschlagen. Anstatt mit immer mehr großen Gewerbe- / Industrieansiedlungen „kostbares Ackerland“ zu verbauen um Gewerbesteuereinnahmen zu generieren, bietet sich hier doch eine sehr kluge und interessante Alternative. Es wird kein einfacher Weg sein, die Gegner von Windkraftanlagen oder anderer erneuerbarer Energieträger wird es immer geben. Diese werden aber -wie in Fuchstal- keine stichhaltigen Argumente mehr haben, wenn der Großteil der Allershausener Bürger:innen von diesen Projekten profitiert und an den Einnahmen partizipiert.

Hier finden Sie einen Bericht aus der Süddeutschen Zeitung zum gleichen Thema: Lernen vom Energiedorf Fuchstal am Lech

Hier finden Sie einen älteren Bericht von Deutschlandfunk Kultur (zum lesen oder anhören) zum gleichen Thema: Fuchstal setzt auf Windkraft in Eigenregie

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Meine Meinung – Kolumne von O. Krauthäuser

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung vom Ortsverband Bündnis90/Die Grünen Allershausen wieder