IPCC Bericht: Aufruf zur Revolution

Naturkatastrophen werden in Deutschland zum Alltag gehören, Flüchtlingsströme aus dem globalen Süden werden erwartet

Trotz kleiner Fortschritte: Das 1,5-Grad-Ziel ist außer Reichweite, nur ein systemischer Wandel wird heftigste Klimafolgen für uns abwenden, heißt es im neuen IPCC-Bericht.

Nun ist der wohl wichtigste Teilbericht des IPCC für 2022 draußen (hier können Sie ihn herunterladen). Es geht darum, wie sich der Klimawandel begrenzen lässt – oder vielmehr, welche Optionen uns überhaupt noch bleiben, um eine Erderwärmung mit desaströsen Folgen zu vermeiden. Die Botschaft ist sehr deutlich: „Die Zeit zu handeln ist jetzt.“ Die Rede ist von einem weltweiten und wirtschaftsweiten Strukturwandel, von Verhaltensänderungen jedes einzelnen, ein ganzes Kapitel trägt die Überschrift „Systematische Transformation“ – dieser Bericht ist kaum weniger als eine Aufforderung zu einer Klima-Revolution, wie sie schon bereits von einem vernünftigen Teil der heutigen Jugend mit „Fridays for future“ beginnt.

Wo stehen wir aktuell?

Der nun vorgelegte Bericht ist das dritte und letzte inhaltliche Kapitel des sechsten Sachstandsberichts des IPCC. Dieser beginnt mit einer nüchternen Bestandsaufnahme: Obwohl seit Jahrzehnten klar ist, dass die Treibhausgasemissionen sinken müssen, sind sie immer nur gestiegen. Zwar hat sich das Wachstum im vergangenen Jahrzehnt etwas verlangsamt, doch liegen die Emissionen heute höher als jemals zuvor.

Deutschlands Emissionen im weltweiten Vergleich

Wohlhabende Menschen sind noch immer für den Großteil der Emissionen verantwortlich.

Quelle: Our World in Data

Die Folgen des Klimawandels treffen häufig die Ärmsten Menschen auf diesen Planeten – für die Emissionen und damit für die Erderwärmung sind aber weiterhin vor allem reiche Menschen verantwortlich. So verursachen die wohlhabendsten 10 Prozent der Weltbevölkerung zwischen 34 und 45 Prozent aller Treibhausgasemissionen.

Aber auch wir in Deutschland sind vom Klimawandel schon jetzt betroffen. Immer mehr Stürme, Starkniederschläge, Hagelvorkommen, Hitze- und Kältewellen sowie Blitzschlagereignisse lassen sich den direkten atmosphärischen Auswirkungen des Klimawandels zuschreiben. Daraus resultieren Sturmfluten an den Küsten, Sturzfluten in steilen Einzugsgebieten oder in bebauten Gebieten und Überflutungen durch Flusshochwasser, wie erst 2021 in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen, aber auch in Bayern und Sachsen (zu den unzähligen menschlichen Tragödien kommt eine geschätzte Schadenssumme von ca. 12 Millarden Euro). Auch Dürreperioden aufgrund lang anhaltend hoher Temperaturen mit großen Verdunstungsraten (der Wasserrückgang in Deutschland beträgt etwa 2,5 Gigatonnen oder Kubikkilometer im Jahr, damit gehören wir zu den Regionen mit den höchsten Wasserverlusten weltweit) sowie Waldbrände sind indirekte atmosphärische Auswirkungen.

Weiter wie bisher ist keine Option

Damit die Erderwärmung den Planeten nicht komplett ins Chaos unberechenbarer Naturgewalten und extremster Wetterlagen stürzt, muss die Menschheit ihren Ausstoß kappen. Wir müssen so schnell wie möglich komplett CO₂-neutral wirtschaften, heizen, kühlen, uns fortbewegen und ernähren.

Ohne einschneidende Maßnahmen ist das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar

Der neue Bericht zeigt auch: In den letzten Jahren ist beim Thema Klimaschutz einiges passiert, viele Länder haben Maßnahmen eingeführt, sich mehr oder weniger ehrgeizige Klimaziele gesetzt oder sogar versprochen, bis zu einem bestimmten Datum klimaneutral zu werden. Und doch bleiben große Lücken, da die selbst gesetzten Ziele der Staaten nicht ausreichen! Mit den aktuellen Ambitionen ist das 1,5-Grad-Ziel nicht mehr erreichbar, und selbst das 2-Grad-Ziel wird mehr als herausfordernd, wenn wir die Ziele nicht bis 2030 nachschärfen.

Mit den derzeitigen Klimaschutzmaßnahmen würden die meisten Länder, allen voran Deutschland, China und die USA, ihre eigenen Ziele verfehlen und die Welt im Jahr 2100 wohl eher auf 3,2 Grad zusteuern. Weiter wie bisher ist also definitiv keine Option!

Konkret heißt das zum Beispiel: Es sollten keine neuen Kohlekraftwerke gebaut werden, schon die bestehende Infrastruktur wird die CO₂-Menge ausreizen, die der Menschheit noch bleiben, um das 1,5 Grad-Ziel zu erreichen. Schadstoffärmere Hybridautos sind keine Lösung. Die Fortbewegung der Zukunft muss klimaneutral sein – am besten elektrisch, und zwar bald! Die Umbauvorgaben für den Gebäudesektor – gerade was Heizen und Energiesparen betrifft – müssen klimaneutral sein, nicht nur klimafreundlich.

Klimaschutz ist möglich

Gerade durch Verhaltensänderungen ließen sich in einzelnen Bereichen 40 bis 70 Prozent der Emissionen einsparen. Ein Beispiel dafür ist der Fleischkonsum, der ein enormes Spar-Potenzial aufweist wenn dieser auf ein vernüftiges Maß reduziert wird und somit auch dem Tierwohl zugute kommt. Außerdem könne ein grundsätzlicher Umbau der Infrastruktur, von Radwegen bis zu elektrischen Sammeltaxis und weiteren intelligenten Nahverkehrslösungen, einen großen Unterschied machen.

Gleichzeitig hat Klimaschutz oftmals auch Vorteile, deren Wert sich mit Geld nicht wirklich berechnen lässt: Wer die Industrie und den Verkehr Emissionsfrei macht, verbessert zugleich die Luftqualität, was ein gesünderes Umfeld vor allem in Städten schafft. Klimaschutz in der Landwirtschaft bedeutet oft zugleich auch Artenschutz. Wer sich mehr von pflanzlichen Lebensmitteln ernährt, lebt nachweislich gesünder. Was bringt einem schon das neueste Mobiltelefon, wenn er nur erzählen kann, dass sein Haus und ein Teil seiner Familie gerade von einer Flutwelle hinweggespült worden sind? Das Narrativ, dass mehr Konsum auch mehr Wohlstand bedeutet, ist empirisch nicht mehr haltbar.

Der Klimawandel wird schon in 30-40 Jahren das Leben in reichen Ländern unbequem machen, in ärmeren Ländern wird es für viele Menschen existenziell werden. Es wird zu großen Fluchtbewegungen kommen (Größenordnung von ca. 400-600 Millionen Menschen), die in die noch klimatisch gemäßigteren Gebiete im Norden (u.a. nach Europa) flüchten müssen. Überall auf der Welt werden Naturkatastrophen häufiger, Ernten verloren gehen, und ganz sicher rüttelt diese globale Dauerkrise auch die Weltwirtschaft kräftig durch. Wie sehr, hängt davon ab, was die Politik jetzt aus dem neuen Sachstandsbericht des IPCC macht. Es gibt kein Zurück mehr, jeder einzelne kann zur CO₂-Reduktion beitragen!

Was kann die Gemeinde Allershausen zur CO₂-Reduktion beitragen?

Wir können nicht die Welt, Deutschland oder ganz Bayern ändern. Wir können aber in unserer Gemeinde Allershausen mit gutem Besipiel vorangehen, wenn wir:

  • Wärmekataster anlegen / eigene Nahwärmenetze / BEG Gründungen Nahwärmenetze fördern wie bereits vom Institut für Energietechnik IfE im Jahr 2015 vorgeschlagen worden ist
  • Ausbau bestehender Nahwärmeversorgung wie bereits vom Institut für Energietechnik IfE im Jahr 2015 vorgeschlagen worden ist
  • Weiterer Ausbau PV-Anlagen auf gemeindeeigenen Liegenschaften wie bereits vom Institut für Energietechnik IfE im Jahr 2015 vorgeschlagen worden ist
  • Verträgliche Windkraftnutzung (mind. 1 Windkraftanlagenstandort in Allershausen mit aktiver Bürgerbeteiligung finden) wie bereits vom Institut für Energietechnik IfE im Jahr 2015 vorgeschlagen worden ist
  • Photovoltaik in der kommunalen Bauleitplanung verankern
  • Attraktives Radwegenetz bauen um u.a. Einkäufe und kurze Arbeitswege mit dem Rad attraktiver zu machen
  • In ganz Allershausen und allen Gemeindeteilen die umstrittene Tempo-30-Zone mit dem Parken nur auf markierten Plätzen einführen. Dem PKW soll nicht mehr soviel Platz im öffentlichen Raum gegeben werden dafür aber privilegierte Parkplätze in vielen Straßen für E-Autos (kein Hybrid) mit Ladesäulen
  • Stadtteilauto oder Carsharing Anbieter nach Allershausen holen
  • Pendlerparkplätze an Umsteigepunkten zum ÖPNV (künftige Expressbuslinie nach Garching)
  • Mögliche Standorte für benötigte Freiflächen-Photovoltaikanlage finden
  • Weiterer Ausbau von E-Ladeinfrastruktur
  • Schottergärten verbieten (Verbesserung des Microklimas)
  • Gartenwasserzähler zurücknehmen (wer kostbares Trinkwasser für seinen „englischen Rasen“ verschwendet sollte nicht gefördert werden mit einer Abgabenbefreiung auf die Abwassergebühren
  • uvm.

Bereits 2007 fasste der Freisinger Kreistag den sogenannten Energiewendebeschluss: Demnach soll der gesamte Landkreis bis 2035 zu 100% mit Erneuerbaren Energien (Strom & Wärme) versorgt werden. Im Strombereich werden bereits jetzt bis zu 70 % des aktuell genutzten Stroms durch Erneuerbare Energien erzeugt, in allen anderen Bereichen sind wir noch sehr weit vom Ziel entfernt. Gleichzeitig wird aber der Bedarf an Erneuerbaren Energien steigen und es muss tatsächlich mehr hinzugebaut werden (siehe dazu auch die Studie: „Vollständige Energiewende im LK Freising. Wie viele Windenergie- und Photovoltaikanlagen brauchen wir im Landkreis?“)

Leider habe ich aber das Gefühl, das eine Mehrheit unseres gewählten kommunalen Organs hierfür wenig Interesse zeigt und eher überwiegend zurückhaltend und ablehnend auf nachhaltige & zukunftsfördernde Themen reagiert, sei es mangels Wissen oder Interesse. In manchen Sitzungen höre ich Aussagen von Allershausener Gemeinderäten, wie: „So eine Freiflächen PV-Anlage an dem Autobahnlärmschutzwall will ich mir nicht anschauen, wenn ich auf meiner Terrasse sitze“ Stehen hier etwa Eigeninteressen vor dem Gemeinwohl? Bereits zum zweiten Mal wurde eine Voranfrage für eine Freiflächen PV Anlage durch den Allershausener Gemeinderat abgelehnt, weitere PV Anlagen auf kommunalen Liegenschaften wurden seit 2017 nicht mehr installiert. Auch hat man im Neubaugebiet, nach dem Scheitern des komplexen Wärmenetzes 4.0 und dem kalten Nahwärmenetz durch die Wärme- und Stromnetze GmbH (WSN), nicht umgehend reagiert und auf bewährte und förderfähige Techniken einer Nahwärmeversorgung auf Basis erneuerbarer Energieträger und Solarthermie zurückgegriffen, denn über die Effizienz der nun verbauten Luft-Wärme-Pumpen lässt sich streiten. Die meisten Wärmepumpen sind ineffizient (toller ermittelter COP Wert unter Laborbedingungen direkt am Wärmetauscher aber unter Realbedingungen eher ernüchternde Energieausbeute von Ø 2,6 -> hat die Wärmepumpe einen Effizienzwert unter 3, ist sie in der Regel nicht mehr wirtschaftlich) siehe dazu auch das Monitoring des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik.

Viele Maßnahmen wurden schon 2015 in einem Energiekonzept durch das Institut für Energietechnik IfE GmbH an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Amberg-Weiden und der B.A.U.M. Consult GmbH angeregt, bis heute ist nicht viel passiert (Ausnahmen: LED Straßenbeleuchtung und LED Raumbeleuchtung in Teilen der kommunalen Liegenschaften, Installation erster E-Ladesäulen für PKW und E-Bike).

Ich wünsche mir mehr mutige & zukunftsweisende Entscheidungen unseres Gemeindegremiums hinweg über parteiliche Grenzen und nicht immer mit dem Gedanken bloß keinem Wähler „auf die Füße zu treten„.

Meine Meinung – Kolumne von O. Krauthäuser

Die Meinung des Autors spiegelt nicht unbedingt die Meinung vom Ortsverband Bündnis90/Die Grünen Allershausen wieder